Das hier ist ein Bericht eines Moto-Neulings. Er hat keinen Sack voller Verbesserungen, sondern das beschrieben, was die meisten, die auf diesen Seiten landen, eher interessiert - nämlich der subjektive erste Einduck nach der ersten Inspektion (9/99) und das Jahresfazit (10/99).
Der Motor:Kräftig und für einen Single dieses Kalibers erstaunlich kultiviert, nach Erdulden der ersten Einfahrbeschränkungen mit nunmehr etwas liberalerem Drehzahllimit geht es flott vorwärts (nach unten freilich heißt es mehr aufpassen - unter 2.500 lasse ich die Drehzahl besser nicht kommen), ich habe sehr viel Fahrspaß mit dem Maschinchen. Etwas Gefühl ist gefragt beim Gasgeben und Kuppeln, hier scheint so ein großer Single in Sachen "driveability" bedeutend anspruchsvoller zu sein als mehrzylindrige Motoren. Das Motorbremsmoment ist ausgesprochen stark (vor allem für jemand wie mich, der ständig Autos nach den neuesten Abgasnormen gewohnt ist, die praktisch kaum noch Motorbremswirkung haben), was nicht nur seine guten Seiten hat (s. Fahrwerk). Das Starten nach mehreren Tagen Standzeit erfordert etwas Geduld - es dauert recht lange, bis Ersatz für den in der Zwischenzeit verflogenen Kraftstoff nachkommt. Der Verbrauch hat sich von anfänglich 6.25 auf ca. 5.5 - 5.75 l/100km ermäßigt, finde ich aber immer noch recht hoch, zumal auch bei meinem neueren Modell mit angeblich 4.5 + 0.5 l Reserve nach 10 verbrannten Litern umgeschaltet werden muß. Das Fehlen des Drehzahlmessers stört weiter nicht (mehr). Vibrationen sind sehr gut von Sitz, Lenker und Fußhebeln isoliert, das hatte ich mir entschieden schlimmer vorgestellt. Das Fahrwerk:Superhandlich, ideal in der Stadt und bei Überlandfahrten mit mittleren Geschwindigkeiten, auch durch die sehr aufrechte Sitzposition und den breiten Lenker. Irritierend dagegen die Nervosität ab ca. 110 km/h, bloßer Fahrstreifenwechsel auf der Autobahn bei wechselnden Fahrbahnbelägen führt zu kurzzeitigem Pendeln, auch beim Kurvenfahren liegen andere Maschinen ruhiger (eine zum Vergleich gefahrene Triumph Sprint ist in dieser Hinsicht leichter zu fahren, dafür sind Korrekturen des einmal eingeschlagenen Kurses schwieriger). Problematisch ist die immense Motorbremswirkung, es empfiehlt sich etwas Vorgas, bevor nach dem Zurückschalten eingekuppelt wird (wenn man die rechte Hand nicht gerade für die Bremse braucht...), das Hinterrad versetzt sonst ganz gerne nach dem Herunterschalten, was das mäßige "confidence feel" in Kurven noch mal erheblich reduziert. Das recht schmale (vor allem nach unten begrenzte) nutzbare Drehzahlband macht es nicht gerade leichter. Mit etwas erhöhtem Luftdruck (2.0 / 2.3) komme ich besser zurecht als mit der Werksempfehlung. Die Bremsen sind sehr gut dosierbar und nach der ersten Einlaufphase mit nunmehr optimalen Reibwerten auch gut in der Wirkung. Sonstiges:Die Sitzbank läßt auch gut gepolsterte Hinterteile wie das meine nach ca. 400 km am Tag etwas unruhig hin und her rutschen. Der Lacküberzug auf dem Deckel des vorderen Bremsflüssigkeits-Reservoirs ist am Abblättern, das fällt aber weiter nicht auf. Einer der beiden Halter des Rücklichts, mit denen es am Plastikteil hinter der Sitzbank verschraubt wird, ist gebrochen (vor 1 Woche beim Händler reklamiert, Teil noch nicht da, Garantiezusage auch nicht geklärt - könnte ja während des Gebrauchs beschädigt worden sein...), sind Dir ähnliche Fälle bekannt? Finde es ziemlich kleinlich, wie der Händler sich anstellt (Kostenpunkt DM 52 + Wehrmachtssteuer), sollte das der Beginn einer wundervollen Freundschaft sein? Da weiß ich ja wenigstens rechtzeitig, daß sich die ständigen Investitionen in zahllose kostspielige Inspektiönchen kaum in Form großzügiger Garantieregelungen auszahlen werden, wenn das schon so losgeht. Überhaupt die Garantiebedingungen: ca. 6 Wochen nach dem Kauf las ich eher zufällig (anläßlich der Anmeldung zur 1.000er), daß ich (bis max. 15 Tage nach Kaufdatum!) einen Coupon nach Kehl zu senden hatte, ebenso wie den Coupon nach erfolgter 1.000 km - Inspektion. Kommt man nicht so ohne weiteres drauf, gesagt hat's mir auch keiner - irgendwie bin ich von der Autobranche ein etwas anderes Service-Verständnis gewohnt. Die 1.000er Inspektion war vom Arbeitsaufwand nach Werksvorschrift vielleicht etwas übertrieben mit Ventilspielkontrolle, Ölwechsel etc. (wenigstens schreibt Aprilia mittlerweile den Gabelölwechsel nicht mehr bei 1.000, sondern alle 12.000 km vor), dafür fand ich den Inspektionspreis in Höhe von DM 250 mit 1.5 Arbeitsstunden angemessen (obwohl ich eigentlich von der Autobranche gewohnt bin, daß bei solchen Erstinspektionen nur Material berechnet wird). Beim Auto kostet's auch 250 mindestens, und da wird eher weniger gemacht, zumindest keine Ventilspielkontrolle mehr - dafür aber nur einmal im Jahr. Fazit:Alles in allem bin ich sicher, das für mich richtige Motorrädchen gekauft zu haben trotz der in meinen Augen mäßigen Eignung für Langstrecken. Die Moto (oder "Alessi", wie sie mein Fazer fahrender Kollege - nicht ganz unzutreffend - liebevoll genannt hat) ist auch sehr kommunikativ: viele Nachbarn und Passanten sprechen mich an, wenn sie mich neben der Maschine sehen, auch Kinder lieben das Design und finden sie ganz toll. An der Ampel registriere ich eine wohlwollende Aufmerksamkeit auch und gerade von Leuten, die sich vermutlich sonst eher weniger für Zweiräder interessieren. Wenn man sich im Stau mal ein wenig schlängeln muß, wirkt das schmale Motorrädchen auch nicht provozierend - dafür wird sie von hinten wegen der schmalen Silhouette aber auch eher für ein Moped gehalten, jedenfalls hat man im Kolonnenverkehr schnell einen Auto-Kotflügel neben sich, wenn man mal etwas weiter rechts fährt. Dafür, daß ich erst im August eingestiegen bin, habe ich von der Saison trotz 3 Wochen Urlaub ohne Moped im August/September schon noch was gehabt. Wer weiß, vielleicht gibt's ja noch einen schönen Oktober nach der derzeitigen Verschnaufpause des Sommers? Einmotten (10/99):Unbarmherzig naht das Ende der Saisonzulassung, Einmotten ist angesagt (jaja, ich weiß - Warmduscher, Sockenschläfer, Schattenparker...), und aus purer Bosheit scheint tags darauf die Sonne. Gibt es außer dem Ausbau der Batterie und dem Ablassen des Kraftstoffs aus dem Vergaser noch was zum Einmotten zu beachten? Das Ablaß-Schräublein am Vergaser ist übrigens ziemlich blöd zu erreichen - hab's natürlich gleich ein bißchen vermurkst, bevor ich auf die Idee kam, das Gewinde mit Molybdän-Disulfit zu bezirzen. Werde es sicherheitshalber ersetzen, hoffentlich ist es einzeln zu haben. Leider rinnt der Sprit nicht aus dem Schlauch auf der rechten Vergaserseite (wie ich gehofft hatte), sondern aus der Schraubenöffnung auf der linken ins Freie. Dafür ist die Batterie in ihrem Plastikwännchen, sogar mit Schlauch zum Abzug der Gase versehen, geradezu liebevoll untergebracht. An die Säuberung des Kühlers werde ich mich mal drangeben müssen, da man die ungleichmäßige Verschmutzung (je nach Luftdurchsatz) auf dem hellen Kühler meilenweit sehen kann - ging aber mit Motor-Reiniger und Wasser schon recht gut ab. Mittlerweile habe ich auch mein Garantieheftchen und die weltexklusive Moto-Card erhalten - die Service-Intervalle sind ja direkt realistisch geworden mit 6.000 km bzw. 12 Monaten, zumutbarer Aufwand zur Erhaltung des Garantie-Wohlwollens also. Der Motor wird immer kräftiger (jetzt 2.000 km gel.), ist besonders in hügeligen Landen eine wahre Freude. Mit dem gelegentlich monierten Fahrwerk komme ich auch immer besser zurecht (ging wohl einiges auf das Konto Greenhorn-Effekt), immer locker lassen scheint tatsächlich der beste Rat zu sein. Eine klasse Maschine, ich bin echt froh, daß ich den Kauf gewagt habe - warum in aller Welt hält sich bloß das hartnäckige Vorurteil, dieses Motorrad sollte man nicht kaufen (s. Motorrad-Forum)? Aber andererseits, wäre doch furchtbar, wenn jeder Schorsch eine hätte (mal ausgenommen die Angebotslage für Verschleißteile oder Zubehör auf dem freien Markt), oder? Werde die nächsten 4 Monate von der Erinnerung bzw. Vorfreude zehren müssen (vielleicht mal ein paar Arbeiten gemäß der Moto- Site- Bastel- Anleitung ausführen, z.B. Isolierband um den Scheinwerfer oder Folie auf die Gabelbrücke pappen, wo die Schlüssel immer scheuern)... aber zur Erbauung anbei ein Bildchen "Alessi vor Modelleisenbahn-Landschaft im Bergischen Land" oder "Feierabend bei den Stadtwerken", wie ein boshafter Kollege im Hinblick auf die Tank-Farbgebung in RAL 2000 lästerte. Herbstlich Grüße - und den Iron Men, die durchfahren, einen milden Spätherbst! |
© 2000 Michael Kremer