Februar 2001: Ralf hat vieles zu Leidenschaften, Leiden mit Motorrädern und der Moto zu Papier gebracht. Eine Betrachtungsweise abseits der 'Bikerkultur'.

Ralf Moto-Erfahrungen und mehr

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Von der Liebe und Motorrädern

Zwischen der Liebe zu Menschen und dem Fahren eines so ausgefallenen Motorrades wie der Moto 65 von Starck muss es mehr als eine Analogie geben: Wie anders könnte ich sonst erklären, weshalb ich bei der Suche nach einem neuen Motorrad ausgerechnet auf jenes Modell gestoßen bin. Doch der Reihe nach...

Begegnet man durch einen glücklichen Zufall einer Person, die einen durch ihren Charme oder Esprit gefangen nimmt, so ist es nahezu unmöglich, diese besonderen Reize einem Dritten, - einem guten Freund oder einer vertrauten Freundin -, zugänglich zu machen. Der Grund des Schwärmens ist manches Mal für Dritte nicht vernünftig nachvollziehbar und egal, wie sehr man sich bemüht seine Gefühle plausibel mitzuteilen, man wird nur zu oft erleben, dass alles Schwärmen bei Unbeteiligten -weil eben Unberührten- nur Kopfschütteln hervorruft. Wie will man auch jene Gefühle, die sich beim bloßen Anblick in einem rühren, Dritten verständlich machen? Wie will man das Kribbeln im Magen und die innere Unruhe mit anderen teilen? Und wie will man vermitteln, wie verlockend die mögliche Zukunft erscheint?

Nahezu unmöglich erscheint es mir deshalb Dritten plausibel zu erklären, weshalb mein Herz für eben jene Person schlägt: Die ganz persönliche emotionale Ergriffenheit entzieht sich letztlich aller Ratio und ist nur beschränkt mit Unbeteiligten teilbar. Weshalb ich so oder so empfinde, kann ich -wenn überhaupt- nur mir selbst erklären: Mit der logischen Konsequenz, dass ich alleine für meine Wahl verantwortlich bin und mit den überraschenden Folgen zu leben habe und gute Freunde nur verwundert davon Notiz nehmen.

Dass es sich bei der Wahl eines Motorrades genau so wie bei der Wahl eines Partners oder einer Partnerin nicht um eine Sache der Ratio, sondern vielmehr um eine Sache jenseits der Vernunft handelt, wurde mir in den beiden Moto- Jahren an mancher Stelle bewusst: Und das, obwohl ich angetreten war, nach schmerzhaften Erfahrungen endlich einmal Vernunft über Emotion siegen zu lassen.

Schon 1984 baute ich mir im Studium meine erste 650 er BSA zusammen. Eine "Star" von 1964: Eher eine Blechbanane als ein schmucker Engländer wurde sie mit der Geburt meines ersten Sohnes zum Erwerb eines Familienautos verkauft. Nach einigen Jahren, mittlerweile wohlbestallt, erwarb ich erneut eine 650er BSA, diesmal ein bildschönes Gerät, einen echten Kracher -eine Lightning von 1969. Wunderschön anzusehen, mit dem richtigen Wummern in den Auspuffrohren und einem Wahnsinnsbums beim Beschleunigen...ein Traum von Motorrad .. wenn sie denn fuhr, Denn das war der Pferdefuß bei diesem Blitz: Dem Aktionsradius um die heimatliche Werkstatt waren durch die Zuverlässigkeit enge Grenzen gesetzt und schon bald gesellte sich zum Familienauto ein Anhänger, um das Motorrad von irgendwoher wieder heim zu holen: Keine Woche ohne mittelgroße Bastelei; keine Ausfahrt ohne schwarze Fingernägel.... Und zu allem Überfluss die Kommentare meiner Frau: "Verkauf das Ding und hol dir endlich ein Motorrad, das fährt."

Glücklicherweise gab es lange Zeit kein Motorrad, für das ich ernsthaft hätte Geld angelegt und so konnte ich lange Zeit den Konflikt mit dem Hinweis "Guck mal, willst du ernsthaft, dass ich mich auf so ein modernes Plastikding setze?" entschärfen. Erst als Starck seine Moto auf den Markt brachte, drohte meine bislang so geschickt angesetzte Verteidigung ins Wanken zu geraten.

Bis 1999 verteidigte ich mich tapfer: Dann gab mir eine abgerissene Kupplung an der Lightning den Rest: Ein modernes Motorrad musste her. Eins, das immer fährt, wo man nur den Knopf drückt und Benzin einfüllt und ab und an die Kette spannt - ansonsten aber dank moderner Technik ein zuverlässiges Motorrad sein eigen nennt: So eine Moto von Starck halt...

Zufällig stand in Köln bei der Firma "Lust" eine Moto zum Verkauf: Knapp zwei Jahre alt, mit 8000 Kilometern auf der Uhr und in jener merkwürdig schönen orange -silbernen Farbgebung, die zum Hingucken nötigt. Nach einigem Feilschen wurde sie für 6500 mein eigen und ich fuhr - stolz wie ein Gockel - heim in der Überzeugung, dass die Zeit des Motorradbasteln einer Zeit des Fahrens weichen würde...

Die ersten Erfahrungen im Vergleich zu meiner Lightning waren schon merkwürdig: Probleme bereitete weniger die Umstellung von der Rechts- auf die Linksschaltung als vielmehr das etwas seltsame Kurvenverhalten. Natürlich hatte ich auf der genialen Moto Website von Grabo über das instabile Laufverhalten gelesen, doch dass ich gezwungen wurde, enge Kurve quasi im Slide zu nehmen, stand dort nicht. Die abrupte Gasannahme in Verbindung mit dem relativ unelastischen Motor ließ manches Mal in engen Kurven entweder den Adrenalinspiegel blitzschnell steigen oder Zuschauer ob der offen zutage tretenden Vorsicht mitleidig lächeln. Ich fragte mich ernsthaft, ob und wie man mit der Moto in die nahegelegene Eifel fahren kann ohne sich zum Gespött der dortigen Motorradfahrer zu machen.

Nachdem ich mich im Verlauf der ersten Wochen an die aus der Motorcharakteristik resultierende Kurventechnik gewöhnt hatte, erlebte ich mitten in Köln mein nächstes besonderes Moto-Erlebnis. Eben noch erhielt ich von neben mir stehenden Autofahrern neidvoll-ermutigende Blicke, die mein Ego aufpäppelten, als just auf dem Hohenstaufenring das Benzin zuneige ging. Nach dem Umlegen des Benzinhahns und einigem Orgeln des Starters meldete sich die Moto auch prompt wieder zu Werke - nur um nach etwa 1 Kilometer völlig trocken dazustehen. Reichlich dumm stand ich in irgendeiner Seitenstraße, fummelte am Hahn hin und her um dann festzustellen, dass sich die Reservemenge auf das Fassungsvermögen eines Kölschglases beschränkt, wenn man den an der rechten Seite befindlichen Schraubhahn die ganze Zeit geöffnet hat.

Dieser Umstand, der aus der Umrüstung auf den modifizierten Tank mit pneumatischer Benzinförderung herrührt, ist durch das daraus resultierende Schieben bis zur Tankstelle geeignet, ein besonders inniges Verhältnis zwischen Fahrer und Moto herzustellen. Vor allen Dingen dann, wenn man nach Auffinden einer Tankstelle und Betanken feststellen muss, dass die Moto plötzlich unter einer gewissen Inkontinenz des Vergasers leidet, der das teure Nass über die Überlaufleitung direkt Richtung Hinterrad leitet.

Zuhause angekommen, untersuchte ich das Problem und tippte als erstes auf ein hängendes Schwimmernadelventil oder einen undichten Schwimmer: Doch die Kontrolle förderte erst einmal nichts Außergewöhnliches zutage; außerdem war das Problem des Überlaufens nach Montage des Vergaser plötzlich erledigt. Zumindest für einige Wochen - bis von einen auf den anderen Tag der Vergaser wieder das Benzin nicht bei sich halten konnte. In unregelmäßigen Abständen verlor die Moto mehr oder weiniger Benzin, bis ich eines Tages auf der Fahrt von Kerpen nach Köln fast 10 Liter Sprit brauchte - eine Menge, die bei aller Liebe zum Motorrad und zu außergewöhnlichem Design die Geduld über Maßen strapazierte.

Die erneute Demontage des Vergasers und einiges Nachdenken brachte den Grund des Übels ans Tageslicht. Der Sitz des Schwimmernadelventils besteht aus einem Messingpressteil, das über einen O-Ring in den Vergaser eingepasst ist. Dieser O-Ring quillt anscheinend auf und verliert seine Konsistenz, so dass das Benzin am Schwimmernadelventil vorbei die Schwimmerkammer fluten kann und via Überlauf den Vergaser verlässt. Abhilfe war schnell geschaffen: Ein neuer O-Ring für 0,50 Dm aus dem Automobilzubehör dichtet nun zuverlässig den Schwimmernadelsitz gegen den Vergaser ab und verhindert das Überlaufen. So viel zum Thema Alltagstauglichkeit und nicht mehr Schrauben....

Bei dieser Gelegenheit versuchte ich auch, der Moto das "Hacken in den Antriebsstrang" bei niedrigen Drehzahlen abzugewöhnen. Nachdem auch Freunde von mir die Moto Probe fuhren kamen wir unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass das Gemisch sehr mager eingestellt sein muss. Nach Umhängen der Nadel und Einbau einer größeren Leerlaufdüse (nach Tipp aus der Grabo-Seite) ist die Moto nicht mehr wieder zu erkenne. Zwar nicht mehr ganz so spritzig - dafür jedoch mit Laufruhe auch in niedrigen Drehzahlen und prompter Beschleunigung und sattem Durchzug in allen Bereichen; ganz so, wie ich es mir eigentlich von einem großvolumigen Einzylinder erhoffte.

Zwischen den Basteleien zur Vergaserkultivierung ärgerten die ein oder anderen Kleinigkeiten: Der vordere Bremslichtschalter, der anscheinend aus dem Eisenbahnmodellbau stammt, stellte allmählich seinen Dienst ein, gleichzeitig mit dem Rücklicht, das sich wegen der Vibrationen von seinen Befestigungsstegen löste und letztlich nur mittels Silikon zum Verweilen am Heck gezwungen werden konnte. Nach einer Winterfahrt über salzig-nasse Straßen der Eifel blühte das Aluminium munter aus und lieferte sich ein Wettrennen in puncto Korrosion mit den Stahlteilen, die Gummiteile wechselten ihre Farbe von grau-silber in eine diffuse Schattierung, die Glühbirnen der Kennzeichenbeleuchtung kaufte ich gleich im Zehnerpack und die Blinkergehäuse reagierten bei Kälte auf Berührung empfindlicher als eine Mimose: Sie brachen schlichtweg ab.

Aber dennoch: All diese kleinen und großen Unzulänglichkeiten haben mir bis dato nicht den Spaß an der Moto vergällt: Unvergesslich der 5000 Kilometer-Trip nach Sardinien und Korsika, bei dem sich die Moto als durchaus tourentauglich erwies. Ein eilig zusammengeschweißter Gepäckträger in Verbindung mit Packtaschen vom Motoraddisconter, die unter der Sitzbank befestigt werden, machten die Moto zum Lastesel, dem weder auf der Autobahn noch auf den korsischen Straßen die Puste ausging. Auch den oftmals beklagten hohen Verbrauch konnte ich nicht feststellen: Zwischen 4.5 und 5.5 Liter Verbrauch bei Tempo 130/140 Km/h sorgten für entsprechend lange Etappen und zügiges Vorankommen, wobei sich die Moto auf den 5000 Km gerade mal einen halben Liter Öl genehmigte. Ach ja, und gleich nach zwanzig Kilometern Urlaubsfahrt verabschiedete sich der Tageskilometerzähler für immer.

Nun, im dritten Motojahr, hat sie noch immer noch nichts vom ursprünglichen Reiz verloren, auch wenn so manche Macke und Unzulänglichkeit offen zutage getreten ist.

Aber wie war das noch?
Die Liebe folgt nicht der ratio - sondern den Emotionen.
Bei den Menschen.
Und einer Moto 6/5

Ralf Herbertz, Kerpen

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© 2001 Ralf Herbertz