September 2000: 20.000 abgeschraddelte Kilometer mit der 6.5 - das drängt so manchen zum Berichten, diesmal war es Werner.
Hallo Leute, hier meine Motó 6.5 Erfahrungen: Zwei Ereignisse kamen im Sommer '98 zusammen.
Also habe ich im August 98 eine schwarze Motó 6.5 (silber/orange war mir too much) relativ günstig (unter 10.000,- DM) gekauft. Und zwar im Ruhrgebiet. Der Händler war heilfroh, sie loszuwerden. Im Pott sind diese Teile echt nicht angesagt. Sind einfach zu schick und gelten als Schwulettenmotorräder. Eine zweite in silber/orange hat er immer noch und aus lauter Verzweiflung als Werkstattfahrzeug angemeldet. Kann man jetzt leihen usw. Am Anfang hatte ich auch ziemliche Probleme mit dem Anlassen und dem Ausgehen an Ampeln auf den ersten 500m. Später haben wir uns aneinander gewöhnt und jetzt geht es so einigermaßen. Das erste Jahr haben wir uns eigentlich recht gut verstanden und wenig Probleme gehabt. Ausnahme: Das Einstellrädchen für den Tageskilometerzähler verloren und beide Außenspiegel geklaut. Es dauerte ungefähr je 4 Wochen bis der Händler Ersatz besorgen konnte. Auch dass ich ein Jahr auf den Tankumbausatz gewartet habe und letztlich bei der Aprilia-Hauptvertretung ziemlich massiv drohen musste, habe ich nicht so tragisch genommen. Wer schön fahren will, muß wohl leiden. Die neuen Benzinschläuche vom Tankumbausatz waren übrigens nach 6 Monaten bereits wieder total rissig. Im Herbst 98 habe ich bei einem Sardinien-Urlaub gleich das Windschild und die Packtaschen gekauft. Zusammen ca.800,- DM. Verglichen mit dem Preis in Deutschland nicht schlecht. Die Taschen haben zwar leicht unterschiedliche Farben und der Händler hatte auch zuerst falsche Taschenträgersysteme bestellt, aber letztlich und mit einigem Hin und Her habe ich alles richtig bekommen. Übrigens habe ich immer noch das Gefühl, daß die Händler sich wenig mit der Motó auskennen, da sie doch sehr selten ist. Leider ist dann bei einer Tasche relativ schnell der Reissverschluss kaputtgegangen (die Zähne lösen sich vom Trägergewebe). Die Verbíndungsstücke zwischen Rahmen und Taschenträgergestell sind völlig überlastet und haben relativ schnell den Geist aufgegeben. Die Laschen reißen schlichtweg durch Vibration in Verbindung mit dem Gewicht einfach irgendwann ab. Ich werde jetzt versuchen, einen Metallmenschen zu finden, der die Dinger optimieren kann. Mit der Scheibe habe ich bis jetzt noch keinen Ärger gehabt, außer das sie sehr laut ist und für starke Verwirbelungen sorgt. Bei Langstrecken bin ich trotzdem dankbar, daß ich sie habe. In der zweiten Saison, also im Sommer 2000 kam es dann geballt. Die Alustandrohre der Vorderradgabel sind klar lackiert. Der Lack reißt und darunter entstehen dann schwarze Korrosionsflecken. Die Vorderradfelge bekommt ebenfalls schwarze Korrosionsflecken. Die vordere Bremsscheibe bekommt rote Korrosionsflecken. Angeblich ist sie doch nichtrostend (Verkaufsprospekt). Der Vorwurf des Händlers: mangelnde Pflege. Im Winter steht meine Motó geputzt und konserviert in der Garage. Ich mache mir wirklich die Mühe sie zum Überwintern richtig zu präparieren. Daran kann es also eigentlich nicht liegen. Am Hinterrad ist eine Speiche gebrochen. Der Vergaser läuft bei Leerlauf beeindruckend über. Das Benzin verdampft dann zischend auf dem Auspuff. Hilfe! Die lackierten Kunststoffabdeckungen am Motor haben sich dadurch augenblicklich gelblich verfärbt. Das Scheinwerfergehäuse hat einen ca. 15 cm langen Riss, ausgehend vom Befestigungsloch für die Schraube. Die Gummiauflage der rechten Fußraste ist unbemerkt während irgendeiner Fahrt verschwunden. Das Nummernschild hat sich ebenfalls unbemerkt verabschiedet. Das ist teuer und verursacht viel Behördenkram. Die Drahthalterung am Vorderrad für die Tachowelle ist durchvibriert. Ein hinterer Blinker hat sich gelöst und wurde am Hinterrad angeschliffen. Ein Kabel hat sich am Rahmen durchgescheuert und führt permanent zum Kurzschluß. Zu guter Letzt ist bei Höchstgeschwindigkeit die Kette gerissen. Gott sei Dank ist dabei nicht viel passiert und das nehme ich natürlich voll auf meine Kappe wg. Unerfahrenheit etc. Das alles hört sich an, als würde ich mich einen Dreck um den technischen Zustands meines Motorrades kümmern. Dem ist aber nicht so. Es ist werkstattgepflegt, wie man so sagt. Ich selbst schraube auch noch einiges. Es wird häufig gewaschen und gecheckt. Diesen Sommer stand es häufiger in der Werkstatt, als vor meiner Wohnungstür. Es kam einfach alles zusammen. Kommentar meiner Werkstatt: "Das Problem ist, daß Du das Ding so viel fährst. Die anderen fahren nur 2000 km im Jahr." Auf Kulanz habe ich bisher von Aprilia einen neuen Scheinwerfer, Kettenschutz und eine Vorderradfelge erhalten. Das Überlaufproblem des Vergasers hat meine Werkstatt bisher noch nicht in den Griff gekriegt. Trotz mehrfachen Auseinanderbauens und neuem Schwimmernadel-Ventil. Ich werde versuchen dies auch als einen Garantiefall zu regeln. Den Kurzschluss habe ich selber beseitigt. Die Kette auch selber aufgezogen. Die Ritzel waren noch OK. Allgemein finde ich die Motó immer noch gut. Das Design ist nach wie vor einfach unübertroffen. Der Rotax-Motor ist eine Wucht. Sauguter Anzug und offensichtlich zuverlässig. Bei einer Tour durch Meck-Pomm wollte ein Kumpel mit 800er Susi nicht glauben, daß die Motó nur 42 PS hat. Er bestand darauf den Fahrzeugschein zu sehen, weil er in der Beschleunigung kaum Vorteile hatte. Das Konzept des Zubehörs, wie Taschen und Windschild ist schlüssig. Ich würde mir bei den Taschen allerdings auch eine bessere Verarbeitung wünschen. Die Straßenlage finde ich auf Landstraßen durchaus akzeptabel. Voraussetzung: neue und andere Reifen (Metzeler). Auf der Bahn muß man sich an das Pendeln bei hohen Geschwindigkeiten erst gewöhnen. Mit der nötigen Routine finde ich es mittlerweile überhaupt nicht mehr beunruhigend. Für mich(ca. 1,80) ist der Sitzkomfort auch auf Langstrecken durchaus ausreichend. Anfangs habe ich noch gepolsterte Radlerhosen druntergezogen. Mittlerweile fahre ich auch 600 km am Stück ohne. Mit Scheibe und Taschen ist sie durchaus langstreckentauglich. Nachteilig sind eindeutig die starken Vibrationen, die das Material doch sehr beanspruchen. Auch mir passierte es schon öfter, daß ich ohne Sprit liegen geblieben bin, weil irgend etwas am Reservesystem nicht stimmt. Aber es gibt meistens freundliche Menschen, die einem helfen. Der Vergaser ist auch ein Schwachpunkt. Der Verbrauch ist eindeutig zu hoch, das Startverhalten katastrophal und in meinem Fall ist der Vergaser absolut inkontinent. Service und Ersatzteilbeschaffung sind bei Aprilia wohl Fremdworte. Manchmal habe ich das Gefühl einen Exoten und nicht ein europäisches Motorrad gekauft zu haben. Die Folgekosten finde ich ebenfalls recht hoch. Alle 6000 km ca. 250,- bis 300,- DM für Inspektionen etc. finde ich mittlerweile recht viel. Dazu kommen die Reifen, die man eigentlich gleich nach Neuanschaffung ersetzen muß. Kettenspray, Kettenkit, Bremsbeläge, irgend etwas muß man immer kaufen. Aber das ist bei allen Motorrädern so. Insgesamt ist die Motó jetzt schon ein Klassiker mit viel Charakter. Man muß sie allerdings lieben, sonst verzweifelt man manchmal an der doch recht schlampigen Verarbeitung. Die Motó setzt sich wohltuend vom sonstigen Einheitsbrei der voll- oder halbverkleideten Asiaten ab. Eine Mille käme für mich allerdings auch nicht in Frage. Würde ich die Motó nochmals kaufen? Ich habe ja als Anfänger mit der Motó begonnen. Mit der Erfahrung von mittlerweile 2 Jahren, wünsche ich mir immer öfter etwas mehr Leistung, da ich oft auch Langstrecken fahre. Dafür ist der Einzylinder nun nicht gerade das Richtige. Diesen Sommer war ich zeitweise von der Anfälligkeit so genervt, daß ich beinahe schon neidisch jedem BMW-Fahrer hinterhergesehen habe. Wenn ich einen Koffer voller Geld in der Ecke stehen hätte, würde ich die Motó als Liebhaberstück behalten und für den Alltag etwas "Reelles" fahren. Vielleicht eine Guzzi oder doch einen Langweiler von BMW. Vielleicht die neue 1150er GS. Werner |
© 2000 Werner Müller